Staat

Nationale Symbole

Der Irak verfügt gleich über zwei Flaggen mit Hoheitsanspruch: die Irakische und die des Autonomiegebiets Kurdistan.

Iraks Nationalflagge wurde am 22.01.2008 letztmals angepasst. Die zuvor im Mittelteil stehenden drei grünen Sterne hat man entfernt.    Sie sollten ehedem auf die angestrebte Vereinigung von Ägypten, Syrien und Irak hindeuten – also ein panarabisches Ideal symbolisieren. Die Farbe Rot stellt die arabische Revolution während des Ersten Weltkriegs dar. Weiß steht für die Zukunft, Schwarz für   die Vergangenheit. Die grüne Aufschrift vor dem weißen Hintergrund läßt sich mit «Gott ist größer» übersetzen. Die Aufschrift wurde 1991 zunächst in der angeblichen Handschrift Saddam Husseins eingefügt, um religiöse Kräfte zwischen den Kriegen zu umgarnen. 

Nach dem Fall des Baath-Regimes wurde die originär irakische, eckige Kufi-Schrift angenommen. Das Nationalwappen des Iraks ist der Adler des Nationalhelden Salahuddin Al-Ayyubi. Auf der Brust trägt das Wappentier die Aufschrift: «Allahu Akbar!» (Gott ist groß!). In den Krallen des Adlers  ist «Irakische Republik» auf grünem Hintergrund vermerkt. Der  Wappen ist eigentlich so alt wie die Republik Irak und wurde bereits mit der Ausrufung dieser 1958 eingeführt.  Die  wichtigste Veränderung am Wappen war die Entfernung der drei, grünen Sterne im Jahre 2018. Diese standen für den Wunsch, sich Syrien und Ägypten in einem Bündnis anzuschließen.

Die Nationalhyme des Iraks seit 2004 ist ein Statement des Säkularismus und der Einbindung in die Region. Mautini ist eine unter arabischen Säkularisten beliebte Hymne des palästinensischen Dichters Ibrahim Touqan, vertont durch den libanesischen Musiker Mohamed Flayfel.

Die Bedeutung der kurdischen Flagge ist nicht zweifelsfrei geklärt. Je nach dem, wie weit man ihre Herkunft zurückdatiert, ergeben sich z.T. unterschiedliche Interpretationen. Unter Kurden unbestritten ist ihre identitätsstiftende Bedeutung. Sie wird in allen Positionen der Kurdistan Regional Government zum Teil neben der irakischen Flagge zum Teil allein gehisst.

Die Region Kurdistan hat auch eine eigene Nationalhymne, hier eine Version mit Text, und eine instrumentale Version.

Staatsaufbau und Verfassung

Gemäß der Verfassung von 2005 ist der Irak eine demokratische, föderale und parlamentarische Republik. Das nationale Parlament hat seit Mai 2018 erstmals 329 Sitze. 9 Sitze werden den Minderheiten zur Verfügung gestellt. Mit 25% liegt die Frauenquote der Parlamentssitze weit über dem Durchschnitt anderer Parlamente der Region.

Der Islam ist offizielle Staatsreligion und gleichermaßen als Quelle der Gesetzgebung verankert. Die offiziellen Amtssprachen sind Arabisch und Kurdisch. Es wird die Glaubensfreiheit garantiert. Daneben auch Presse-, Rede-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit; allerdings unter der Maßgabe, dass nicht gegen die «öffentliche Ordnung und Moral» verstoßen wird. Konstitutionelle Prinzipien wie Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung, Parteienpluralismus sowie eine unabhängige Justiz werden in der Verfassung als Fundamente des Staatsaufbaus benannt.

Die Verfassungswirklichkeit weicht jedoch in vielen Punkten davon ab, da weder die Prinzipien nicht operationalisiert werden noch unabhängige Institutionen existieren, die stark genug wären, die Einhaltung der Verfassung zu kontrollieren oder zu gewährleisten. Das System der ethno- konfessionellen Beteiligung (Muhasasa) in den staatlichen Institutionen hat dazu geführt, dass der Staatsapparat aufgebläht und intransparent ist. Darüber hinaus hat das Muhasasa-System nicht nur systemische Verlierer sondern auch einige Gegner, allen voran die säkularen und nationalen Kräfte. Korruption und mangelnde Effizienz bringen den Wiederaufbau zum Erliegen.

Aktuelle Regierung

Die Regierungsbildung nach den Wahlen im Mai 2018, dem Brand in einigen Wahlstationen und der anschließenden Neuauszählung der Stimmen sind ein Spiegelbild der Schwierigkeiten der neuen Demokratie. Die endgültigen Ergebnisse ergaben ein zerstreutes Meinungsbild, mit einem Gewinner, Muqtada As-Sadr, und vielen Verlierern. Muqtada As-Sadr selbst hielt sich an seine Ankündigung, kein offizielles Amt zu bekleiden. Nach langen  Verhandlungsprozessen und zahlreichen Protesten im Sommer, bestätige das irakische Parlament am im Oktober und im November die Besetzung einiger Ministerposten. Nachdem sich die politischen Blöcke uneins waren, wurden im Juni 2019 die letzten und sicherheitsrelevanten Ressorts Innere, Justiz und Verteidigung besetzt. Nach mehrmonatigen Protesten  gegen Korruption, mangelnde Infrastruktur und Ineffizienz des Staates, hat Premierminister Abdul-Mahdi seinen Rücktritt angeboten. Das irakische Parlament nahm den Rücktritt an und beauftragte Präsident Barham Salih mit der Ernennung des neuen Kandidaten für das Amt.

Nach Überschreitung der konstitutionellen Frist hat sich Salih zunächst für den erfahrenen Mohammed Tawfiq Allawi entschieden. Auf den Strassen nahm die Spannung nicht ab, da die Opferzahl ständig steigt, und bewaffnete Vermummte nicht nur Protest- Teilnehmer sondern auch Polizisten zur Zielscheibe machen. Viele Protestler lehnten den aufgestellten Premier «als Teil des Establishments» ab, da er zuvor an mehreren Kabinetts beteiligt war. Die Regierungsbildung gelang Allawi nicht. Nachdem Oppositionsblöcke systematisch die Abstimmungen über sein vorgeschlagenes Kabinett durch Abwesenheit vereitelt haben, trat er Anfang März zurück.

Mitte März stellte Präsident Salih dann den zweiten Anwärter vor: Adnan Al-Zurfi. Al-Zurfi wurde zunächst vom Victory-Block des ehemaligen Premiers Abadi und dem Sairoon-Block von Muqtada As- Sadr unterstützt. Er hat an der von den Besatzungsmächten eingesetzten Interims-Administration nach dem Irak-Krieg 2003 mitgewirkt. Widerstände der schiitisch-geprägten politischen Blöcke Fath, State of the Law und Wisdom führten letztlich zu einer Blockade der Regierungsbildung. Nachdem Zurfis Gegner einen eigenen Kandidaten aufstellten, entzogen auch sunnitsch-arabische und kurdische Blöcke Zurfi ihre Unterstützung. Er reichte darauf seine Resignation ein. 

Schließlich beauftragte Präsident Salih am 09.04.2020 den von jenen schiitischen Blöcken favorisierten Kandidaten,  Mustafa  Al-Kazemi, mit der Regierungsbildung. Vor der offiziellen Ernennung Al-Kazemis, erhielt dieser bereits die Unterstützung des Präsident der Autonomen Region Kurdistan Necirvan Barzani. Zuvor war Al-Kazemi Chef des Geheimdienstes (2016-2020), Funktionär am  Flughafen  von Baghdad, Chefredakteur eines Magazins und Exekutiv-Direktor der Iraqi Memory Foundation, eine Institution, die sich mit der Aufdeckung und Dokumentation der Baath-Verbrechen befasst. Am 7.5.2020 stellte Al-Kazemi dem Parlament fristgerecht ein Stammkabinett (15 von 22 Posten) vor, das bestätigt wurde. Gut einen Monat später bestätigte das irakische Parlament Kazemis Besetzung für die restlichen 5 Ministerien, darunter die hochsensiblen Ressorts Öl und Auswärtige Angelegenheiten.

Föderalismus, Regionen, Autonomie

Der Irak hatte bis 2014 achtzehn Provinzen. 2014 wurde per Beschluss des irakischen Ministerrates die Provinz Halabja aus Gebiet aus der Provinz Sulaymaniyah abgetrennt, doch der Beschluss wurde noch nicht in die Praxis umgesetzt. Weitere Provinzen sollen aus den Provinzen des Westens, Al-Anbar, Salah Ad-Din und Nineveh, gegründet werden.

Drei der 19 Provinzen (Erbil, Dohuk, Sulaymaniyah) bilden die Föderale Region Kurdistan, verwaltet durch die Kurdistan Regional Government KRG. Im September 2017 ruft die KRG zum Referendum über die Unabhängigkeit Kurdistans auf, das mit überwältigender Mehrheit bejaht wird. Ein irakisches Bundesgericht erklärt den Urnengang für verfassungswidrig. Für Monate ließ Bagdad die Autonomiegebiete seine Macht spüren, vor allem bei der Grenzkontrolle und im Finanzsektor. Die Ablehnung der Nachbarländer machte sich im Wirtschaftssektor bemerkbar. So wurde das «Ja zur Unabhängigkeit» effektiv zum Desaster für kurdische Interessen. Der langjährige Präsident des KRG, Masoud Barzani, der das Referendum mit Nachdruck umgesetzt hatte, trat   als Konsequenz zurück. Der Machtkampf zwischen den größten kurdischen Parteien KDP und PUK schwächen seit dem inner- kurdische Reformen und Erbils Position gegenüber Bagdad.

Nach dem Rücktritt teilt sich der politische Nachwuchs der Barzanis die Macht. Sein Neffe, Necirvan Barzani, langjähriger Premierminister unter Masoud Barzani, beerbt ihn im Amt des Präsidenten der KRG. Im Juni überrascht die Ernennung seines Sohnes, Masrour Barzani, zum Premier der KRG. Obwohl die letzten Regions-Wahlen im September 2018 abgeschlossen waren, hat die weitere Regierungsbildung erst im Juni 2019 richtig begonnen. Nach anfänglichen Differenzen konnte das Kabinett im Juli 2019 den Amtseid leisten.Laut der Verfassung haben die Provinzen weitgehend eigenständige Rechte. Sie besitzen eigene Provinzhauptstädte, haben exekutive, legislative und judikative Rechte. Letztere dürfen aber, laut Verfassung, nicht mit den Zuständigkeiten der Zentralregierung und der nationalen Konstitution kollidieren. Die Grenzen sind nicht klar definiert. Auch die konstitutionell festgelegte Verteilung der Ressourcen ist immer wieder Streitthema zwischen Bagdad und den Provinzen sowie den kurdischen Autonomiebehörden.

Innenpolitik

Die irakische Innenpolitik wird nach wie vor von folgenden Themenblöcken beherrscht: Sicherheit, Wiederaufbau und Grundversorgung, Korruptionsbekämpfung und Ressourcen- Verteilung. So unterschiedlich die Themen scheinen, sie sind systemisch miteinander verknüpft.

So hat sich der aktuelle Premierminister nach dem Sieg gegen den sogenannten Islamischen Staat die Eingliederung bzw. Umstrukturierung über die bestehenden Milizen auf die Flagge geschrieben. Während des Anti-IS-Kampfes verließ sich die vorangegangene Abadi-Regierung auf eine internationale Koalition, die die regional sonst verfeindeten Supermächte USA und Iran temporär vereinte. Ebenfalls beteiligt waren die kurdischen Peschmerga sowie die sogenannte Volksmobiliserungfront (PMF), ein Sammelbecken unterschiedlicher Milizen, die vom schiitischen Gross Ayatollah Ali As-Sistani per Fatwa ins Leben gerufen wurde. Nachdem der territoriale Kampf gegen den sogenannten IS für erfolgreich beendet erklärt wurde, löste sich die PMF nicht auf. Vielmehr scheint die iran-gestützte PMF nicht nur bleiben, sondern auch ihre Macht ausbauen zu wollen. Nach Luftangriffen gegen Positionen der PMF, will die PMF nun eine Luftwaffe aufbauen.

Zudem stellt die Lockerung der Waffengesetze und die damit unkontrollierte Bewaffnung der Zivilbevölkerung einen weiteren Indikator für die mangelnde (empfundene) Sicherheit dar und sie stellt das Gewaltmonopol des Staates weiter in Frage. Erschwerend kommt hinzu, dass der sogenannte Islamische Staat zwar territorial verdrängt doch immer noch eine Gefahr darstellt.

Der schleppende Wiederaufbau der vom IS zerstörten Städte und der Rückgang der Versorgungsleistungen führte in den Jahren nach dem Sieg gegen den IS zu erneuten Protesten. Die Regierung beschließt daraufhin ein Aktionspaket nach dem anderen: hier wird eine Kommission zur Untersuchung des Vorgehens der Sicherheitskräfte während der Proteste, da ein Paket zur Sicherung der Familien der im Protest getöteten «Märtyrer»,  dort  eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme in den Ministerien ins Leben gerufen. Doch die Proteste scheinen nicht abzuebben.

Seit Beginn der Corona-Krise war die Bewegungsfreiheit in den großen Städten und unter den Provinzen zum Teil stark eingeschränkt. Demonstrationen wurden nicht gestattet. Doch die Protestbewegung gewann im Sommer 2020 neue Dynamik, als Aufnahmen einer gewaltvollen Festsetzung und Folter eines minderjährigen Irakers publik werden. Die UN berichtet, dass seit Beginn der Proteste im Oktober 2019 nicht nur die irakischen Sicherheitsbehörden an Entführungen und Folter gegen die Demonstranten involviert sind. Laut Schätzungen der UN sollen Duzende Protestler von Milizen entführt werden. Premier Kazemi versetzte einen Kommandeur nach Foltervorwürfen, traf sich jüngst mit dem 16-jährigen Opfer und versprach, ihm seine Studien zu finanzieren. Doch während Kazemis Versuche, die PMF besser zu kontrollieren zum Teil z.T. fruchten, bleibt die Kontrolle über die neuen kleineren pro-iranischen Milizen im Irak schwierig. Erschwerend kommen aktuelle, gewaltvolle Konflikte zwischen den Oktober-Protestlern und militanten Anhängern von Muqtada As-Sadr, die im November 2020 mehrere Todesfälle zur Folge haben.

Im Juli 2020 überraschte Kazemi mit dem Beschluss, die Wahlen in den Juni 2021 vorzuziehen. Aus Sicht des Institute for the Study of War erfüllt er damit seine Versprechen an die Protestbewegung.

Natürlich müssen sich dann noch die zerstrittenen Blöcke im Parlament auf das neue Wahlgesetz und neue Wahldistrikte einigen und die neuen Richtlinien für die Wahlkommission bestätigen. Doch Reformen allgemein, vor allem so weitreichende, werden durch mangelnde Effizienz und Transparenz der staatlichen Institutionen, aber auch durch Korruption, wie eine Weltbank-finanzierte Studie zum Wiederaufbau nach 2003 zeigt. Das stärkt das Mißtrauen der irakischen Bevölkerung und der Investoren, die nötig sind, um die lang versprochene Wirtschafts-Diversifikation, weg von den Öl-Einnahmen, zu realisieren.

Politiker aller Parteien versprechen eine Verbesserungen der Beziehungen zwischen Erbil und Bagdad. Um diese Beziehung zu verbessern, muss die Ressourcen-Frage neu und vor allem  verbindlich verhandelt werden. Eine  endgültige  demographie- basierte Klärung bedarf zunächst mal eines verlässlichen Zensus, der für 2020 geplant sein soll.

Korruption

Der Irak liegt in Sachen Korruption nach Bewertung von Transparency International auf Platz 162 von insgesamt 180. Korruption und Korruptionsbekämpfung waren wichtige Themen der letzten Wahlkämpfe im der Kurdischen Region Irak sowie in den Wahlen für den restlichen Irak. Auch die Protestbewegung, welche im Oktober 2019 begann, forderte eine tiefere Korruptionsbekämpfung, ja einen Umbau des politischen Systems zu Gunsten von Transparenz, Effizienz und Rechenschaft.

Von der Umsetzung dieser Forderung ist der irakische Staat weit entfernt. In Bagdad versucht der dritte Premierminister-Kandidat eine Regierung zu formen, die bis zu den nächsten Wahlen regieren soll. Gleichzeitig regiert die alte, im Prinzip zurückgetretene Regierung Abdul-Mahdis kommissarisch, und mit Blick auf die COVID-19-Bedrohung per Dekret. Ausgangssperren und Versammlungsverbot vor dem Hintergrund der Protestbewegung eine andere Wertigkeit. Mit dem Rückgang der Presse-  und Versammlungsfreiheit in 2020 nimmt der Druck auf die aktuelle und künftige Regierung ab, die bereits bestehenden zahlreichen Pläne zur Korruptionsbekämpfung umzusetzen oder die Korruptions-bekämpfenden Institutionen finanziell und juristisch so zu stärken.

Wir hatten einst die GIZ angefragt, die Länderinformationen vom Länderportal für unsere touristischen Webseiten zu nutzen. Dazu sollten wir auf die Urheber hinweisen. Nesrine Shibib hat die Länderinformation zum Irak gestaltet. Die Inhalte wurden bis 2020 im Auftrag der GIZ gepflegt.