Wirtschaft

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Trotz zahlreicher Wiederaufbaubemühungen, bleibt die  Gesamtentwicklung  der  Wirtschaft  weit hinter den Erwartungen und Plänen der irakischen Regierung zurück. Die größte Herausforderung ist nach wie vor die mangelnde Sicherheit.

Geschätztes BIP 234.1 Mrd USD (Weltbank 2020)

Pro Kopf Einkommen 5841 USD (Weltbank 2020)

Rang der menschlichen Entwicklung (HDI) Rang 120 von 189 (UNDP 2018)

Anteil Armut 22.5% (Weltbank 2020)

Einkommensverteilung (Gini-Koeffizient) 29.5 (Weltbank 2020)

Wirtschaftl. Transformationsindex (BTI) Rang 108 von 137 (2020)

Wirtschaftsstruktur

Der Irak bleibt -gerade in Krisenzeiten- abhängig vom Ölexport. Einkünfte aus diesem volatilen Sektor machen seit Jahrzehnten mindestens 95% des öffentlichen Haushaltes aus. Der seit 2020 sinkende Ölpreis könne nicht nur eine schwere Rezession in der Nahost-Region mit sich bringen, warnen Analysten. Auch die öffentlichen Haushalte der Golfstaaten können angesichts der sinkenden Einnahmen aus dem Erdölsektor nicht gehalten werden.

Für den Irak kann dies katastrophale Folgen haben. Der Staat stellt seit Jahrzehnten den größten Arbeitgeber dar. Die Finanzierung der langanstehenden Strukturmaßnahmen zum Wiederaufbau, zur Armutsbekämpfung, zur Verbesserungen des Wirtschaftsstandortes und zur Diversifikation der Einnahmen ist nicht länger gesichert.

Die wirtschaftliche Lage im Überblick

Die ökonomische Entwicklung im Irak gestaltet sich schwer. Politisch wie sicherheitstechnisch sind die Prognosen schlechter denn je. Hinzu kommen seit Frühjahr 2020 die Einschränkungen, die das Land aufgrund der drohenden Verbreitung von COVID-19. Sie haben  bereits jetzt den Sektor Bau, Tourismus,  Transport schweren  Schaden zugefügt.

Wiederaufbauprogramme liefen vor der Corona-Krise vorsichtig an.Die Weltbank traf noch im Oktober 2019

positive Wirtschaftsprognosen. Der Irak hatte Ende 2019 einige Kooperationsabkommen mit den Nachbarn. Davon haben bis vor wenigen Monaten die  nicht-Öl-basierten  Wirtschaftssektoren profitiert, die Weltbank schätzte den Wachstum in diesen Sektoren   auf 4,9% Anders sieht es bei der neuesten Prognose der Weltbank aus. Die Corona-bedingten Beschränkungen für Verkehr, Handel und Agrarwirtschaft schlagen sich negativ auf die Wirtschaftsentwicklung nieder. Die Einnahmen aus dem Ölsektor sind stark gesunken, obgleich die Produktion stieg. Der sogenannte IS fordert wieder viele Opfer. Diese Faktoren überlagern aber die eigentlichen und tiefergreifenden Probleme: Korruption, Armut, politische Konflikte. So verwundert es nicht, dass die Prognose der Bertelsmann-Stiftung von 2020 pessimistisch ausfallen. Die Weltbank rechnet seit Frühling   2020 damit, dass die Wirtschaft in diesem Jahr um fast 10% schrumpfen wird. Ferner schätzt die Weltbank im Oktober 2020, die Armutsrate würde zwischen 7 und 14% steigen, sodass der Einteil   der Menschen unterhalb der Armutsgrenze ca ein Viertel der Bevölkerung ausmachen würde.

Die Doing Business in Iraq-Einschätzung der Weltbank fällt wegen  der vielen behördlichen Hürden und der politökonomischen Unsicherheiten negativ aus. Der Irak liegt beim Ranking von 2020 auf Platz 172 von 190 Ländern insgesamt. Die detaillierte Bewertung des Business-Klimas für 2020 ging von leichten Verbesserungen im Vergleich zum letzten Jahr aus. Diese positiven Prognosen waren durch die höhere Ölpreise gerechtfertigt. Die OPEC-Mitglieder hatten sich bis Dezember 2019 auf eine Ölfördermenge geeinigt, die den Preis stabil oben hielt. Im Vergleich zum Beginn des Jahres hatte sich der Barrel-Preis zum Frühjahr halbiert. Die irakische Regierung erbat von den dort tätigen internationalen Ölfirmen, ihre Kosten um 30-50% zu senken.

Die Weltbank schätzt den Anteil der Arbeitssuchenden unter 24-Jährigen auf ca. 32%. Die Beteiligung der Frauen am Arbeitsmarkt liegt wesentlich unter dem Durchschnitt der MENA-Region. Versorgungsengpässe bei Strom und Wasser sowie die mangelnde Arbeitsbeschaffung sind die Gründe für die andauernden Proteste in Iraks großen Städten. Sie stellen die Regierung, die traditionell der größte Arbeitgeber ist, vor eine riesige Herausforderung. Die Gruppe der sogenannten Internally Displaced People ist laut dem aktuellen Bericht der Weltbank ebenfalls stark von Arbeitslosigkeit betroffen. Die Rate wird auf 24% im Vergleich zu ca. 18% im Durchschnitt der Bevölkerung. Getrieben von der finanziellen Krise ordnete der Staat nun einen Sparkurs für die Ölfirmen an. Die darauffolgende Entlassungswelle, auch im privaten Sektor, dürfte die Protestbewegung weiter befeuern.

Seit dem kurdischen Unabhängigkeitsreferendum in 2017 eskaliert zwischen der Kurdischen Autonomiebehörde mit Sitz in Erbil und der Zentralregierung in Bagdad immer wieder der Konflikt um den Abspruch auf bestimmte Gebiete. Kirkuk z.B. ist nicht nur von historischer Bedeutung für beide Seiten sondern liegt in einem ölreichen Gebiet. Dort hat Bagdad nach dem gemeinsamen Anti- IS-Kampf wieder die Kontrolle übernommen und nachfolgend den Anteil der KRG am nationalen Budget gekürzt.

Der nachfolgende Bericht wirft ein Licht auf die Spannung im Norden: «Kurds lose vital oil fields after Iraqi forces capture Kirkuk», Aljazeera English; Engl.; 3:05 min.

Die wiederkehrenden Konflikte zwischen Bagdad und Erbil um das Thema Ressourcenverteilung können nur mit einem neuen konsensfähigen Öl- und Gasgesetz im nationalen Parlament gelöst werden, in dem föderale Zuständigkeiten klarer und verbindlicher geklärt werden.

Die stellenweise starke Ambiguität in der irakischen Verfassung, insbesondere Art. 112(1) der nationalen Verfassung, trägt ihren Teil zur politischen Instrumentalisierung der Ölfrage bei.

Beziehen sich demnach die Konzessionsrechte nur auf 2005, also auf bereits bestehende Ölfelder im Jahr der Verfassungsannahme; oder gelten diese auch für danach entdeckte Reserven? Dürfen Erschließungs- und Ausbeutungsrechte nur für bereits produzierende oder auch für nicht- produzierende Felder vergeben werden? Wer darf die Ausschreibungsstandards überhaupt festlegen – Bagdad oder die KRG? Wie viel Mitspracherecht hat die Provinzregierung des größten Ölfördergebiets in Basra? Wer darf in den «Umstrittenen Gebieten» entscheiden? Solche Fragen sind nicht nur politisch und konstitutionell strittig, sie werden auch von Rechtsexperten unterschiedlich bewertet.

Die Einnahmen aus dem Ölverkauf bescheren dem Irak insgesamt zwar eine wirtschaftlich solide Basis, allerdings profitieren nicht alle Einwohner gleichermaßen davon. Laut der letzten Schätzung der Weltbank liegt der Gini-Koeffizient für die Verteilung des Einkommens im Irak bei 29,5. Die Arbeitslosenquote beträgt laut Schätzung der UN 11%, bei Jugendlichen unter 24 Jahren ist sie doppelt so hoch und liegt bei 22,8%.

Trotz der großen Öleinnahmen leidet der Staat unter mangelnden Geldmitteln und Effizienz. Große Schwierigkeiten bestehen dazu mit der flächendeckenden Eintreibung von Steuern und der effektiven Kontrolle geleisteter Abgaben. Die Korruption im Lande ist stark ausgeprägt und wird in weniger als 5% der Fälle angezeigt. 54% der Iraker sind der Meinung, die Korruptionssituation sei in den letzten zwei Jahren (vor der betreffenden Umfrage der UN) schlimmer geworden, so die ILO im Factsheet zum Thema Governance 2011. Aktuell rangiert der Irak beim Korruptionsindex von Transparency International zurzeit auf Rang 168 von insgesamt 180 untersuchten Ländern.

Seit dem Ausbruch der Corona-Krise haben staatliche Angestellte im gesamten Land keine regelmäßige und volle Gehaltsauszahlung erhalten. Der interne Verteilungskonflikt zwischen Bagdad und Erbil macht die Frage nach der Verantwortung zusätzlich intransparent. Vertreter der UN Assistance Mission Iraq trat jüngst dafür ein, die zivilen Staatsbediensteten aus dem Konflikt zu halten und ihnen ihre ausstehende Gehälter voll auszuzahlen. Nach zahlreichen Protesten in der Autonomieregion, versprach Erbil im November 2020, «bald» seinen Angestellten die Gehälter auszuzahlen, unabhängig davon, ob Baghdad seinen Verpflichtungen nachkommt. Baghdad selbst ringt seit Monaten um die Auszahlung der Gehälter und anderer essentieller Verpflichtungen.

Der türkische Nachrichtensender TRT World widmete sich in der Finanzsendung «Economic challenges await Iraq’s new government» (Engl.; 6:38 min) den größten Herausforderungen der neuen irakischen Regierung.

Entwicklungszusammenarbeit zwischen Deutschland und Irak

Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit mit dem Irak konzentriert sich seit 2014 neben der humanitären Hilfe und dem Wiederaufbau auf Arbeitsbeschaffung, Bildung und Gesundheit (mit großem Schwerpunkt auf MHPSS).

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) ist seit 2014 beteiligt am Wiederaufbau des Iraks. Zur Stabilisierung des Landes werden Schulen in ehemaligen Kriegsgebieten aufgebaut, die Wasserversorgung verbessert, psycho-soziale Stärkung der Geflüchteten und Geflüchtete

im «Cash-for-Work-Programm» zumindest temporär in Lohn und Brot gebracht. In regionalen Resilienz- Projekten sollen Geflüchtete, IDPs und weitere hilfsbedüfrtige Gruppen stabilisiert und unterstützt werden. Doch der Wiederaufbau gestaltet sich schwierig im Schatten von Instabilität, Machtkämpfen und Korruption.

Der DAAD fördert irakische Studenten und Forscher, die in Deutschland studieren möchte. Sein Büro in Bagdad und in Erbil begleiten Interessierte bei der Suche nach der passenden Hochschule und informieren über Zugangsbedingungen. Zusätzlich ist der DAAD federführend bei der Einrichtung von Hochschulpartnerschaften im gesamten Irak.

Mit dem grossangelegten Stipendienprogramm Human Capacity Development Programme will die KRG massiv in den Hochschulsektor investieren.

Deutsche Stiftungs- und Wirtschaftsbüros mit Arbeitsschwerpunkt Irak

Deutsche Wirtschaftsbüros, mit einzelnen Adressdaten für Bagdad, Basra und Erbil Friedrich-Eber-Stiftung mit Sitz in Amman
Konrad-Adenauer-Stiftung Syrien-Irak mit Sitz in Beirut
Heinrich-Böll-Stiftung mit Sitz in Beirut

Wir hatten einst die GIZ angefragt, die Länderinformationen vom Länderportal für unsere touristischen Webseiten zu nutzen. Dazu sollten wir auf die Urheber hinweisen. Nesrine Shibib hat die Länderinformation zum Irak gestaltet. Die Inhalte wurden bis 2020 im Auftrag der GIZ gepflegt.